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Jetzt ist es wohl mal an der Zeit, euch zu erzählen, wie es überhaupt zu der Schmetterlingspost kam. Vielleicht zeigt es auch Nicht-Betroffenen, wie mein Weg von einer vollkommen Unbeteiligten zur Gründerin der Schmetterlingspost war und dieser Weg war für mich auch nicht ganz eben. Dazu muss ich aber etwas ausholen.
2014 hat eine flüchtige Bekannte still und heimlich ein Baby bekommen, den kleinen Mats. Naja, wahrscheinlich nur für mich still und heimlich, weil ich es nicht mibekommen hatte. Von Mats habe ich erst erfahren, als ich keine Möglichkeit mehr hatte, ihn kennenzulernen, weil er bereits zu den Sternen gereist war. Auch wenn ich seine Mutter nur ein paar mal gesehen hatte, war ich direkt ergriffen von seinem Schicksal. Ich bin eigentlich ein Mensch, der nicht viel über Dinge nachdenkt. So auch in diesem Fall. Ich habe Mats das Kissen genäht und Yvonne nach ihrer Adresse gefragt. Mein Plan sah vor, die Tüte mit dem Kissen an die Tür zu hängen und wieder zu fahren. Natürlich wollte ich dieses Kissen verschenken, von ganzem Herzen – aber mich in diese Situation reinbringen, evtl. drüber nachdenken zu müssen, wie man solch eine Ungerechtigkeit überstehen kann, das wollte ich nicht. Ich wollte danach einfach wieder nach Hause fahren und mit meinem Sohn spielen. Ich fuhr also hin, mit klopfendem Herzen und Knien weich wie Butter. Dabei redete ich mir immer wieder ein: Ist ja nicht so schwer, Tüte an die Tür und wieder fahren.
Haha, hat nicht geklappt. Yvonnes Vater war vor dem Haus. Plan schnell geändert. Ich fragte ihn, ob ER das Kissen Yvonne geben könnte. „Du kannst klingeln. Sie weiß, dass du kommst!“
Erste Reaktion – Panik. Das war ganz und gar nicht mein Plan. Was sollte ich denn sagen? Aber zu sagen: Nee, ich trau mich nicht, wäre ja nun auch megapeinlich. Also geklingelt. Schnell, wieder, ohne weiter drüber nachzudenken. Ihre Mutter öffnete die Tür und Yvonne kam die Treppe runter. Sagen konnte ich nichts. Ich gab ihr das Kissen und wir sind uns einfach in die Arme gefallen, beide am heulen. Zwei fremde Menschen, die sich heulend in den Armen liegen. In dem Moment wurde mir vorerst klar, dass man nichts sagen muss. Ich war einfach da, habe zugehört, habe mir von Mats Leben erzählen lassen. Ich weiß nicht, wie lange wir im Wohnzimmer saßen. Ich hab mich umgeschaut, überall Zeichen von Mats gefunden, davon, dass er hier niemals vergessen werden wird. Wir haben viel über Mats gesprochen, aber nicht nur, auch über die Katzen. Komisch, dass ich mich daran noch erinnere. Aber ich habe gefragt, viel gefragt. Und es war auf einmal nicht mehr schwer. Man macht sich vorher viel zu viele Gedanken, ist gehemmt.
Ich kann es verstehen. Ich war genau so. Aber ich habe weiter gemacht. Habe Yvonne immer mal wieder geschrieben. Immer mal wieder war es schwer. Man fragt nicht einfach: „Wie geht es dir?“ Das ist eine ziemlich bescheuerte Floskel, auf die man die Antwort schon kennt. Aber ich war da. Habe immer wieder gezeigt, dass ich da bin und wenn es nur zum Zuhören ist. Es kamen immer wieder Rückschläge. Ich wurde schwanger, wollte es aber Yvonne nicht sagen. Wie konnte ich das Recht haben, ein zweites Kind zu bekommen, wenn sie ihren geliebten Sohn viel zu früh gehen lassen musste. Ich dachte sehr viel über das Thema nach und damit das hier nicht zu lang wird – ich sagte es Yvonne erst in dem Moment, wo sie berichten konnte, dass sie schwanger ist. Zu Miinas Geburt brachte ich auch ein Geschenk und wieder war das Herzklopfen da und die weichen Knie. Aber ich machte es trotzdem. Mats habe ich darüber hinaus natürlich nie vergessen.
Ich wollte aber noch mehr tun. Es gibt so viele schlimme Schicksale, die ich fast nur erahnen kann. Ich habe Glück und das wollte ich teilen. Es gibt eine Organisation namens Sternentaler, diese wollte ich unterstützen. Ich kannte sie von Yvonne und fragte, wie ich sie finden kann. Yvonne erzählte mir dann, dass ich dort gerne helfen kann, aber die Organisation ihren Sitz in der Schweiz hat und sich auch dort engagiert. Ich habe mit den Sternentalern Kontakt aufgenommen, mich versucht, dort einzulesen, mich durchgefragt und schnell gemerkt: Dieses tolle Projekt kannst du im Leben nicht stemmen. Diese Arbeit ist so wertvoll und zugleich so umfassend.
Aber ich wollte was machen. Und ich bin verdammt ungeduldig. Wenn, dann muss es auch schnell gehen. Die Schmetterlingspost entstand innerhalb von zwei Wochen, von der ersten Idee, bis ich mit der öffentlichen Seite online gegangen bin. Vorher war die Helfergruppe aber schon aktiv, weil ich wirklich Angst hatte, mit allem alleine da stehen zu müssen. Wir haben es Mats zu verdanken, dass ich mich mit diesem Thema auseinandergesetzt habe. Nur, weil er es in mein Herz geschafft hat, gibt es die Schmetterlingspost. Und nur, weil ich nicht alleine dastehe, sondern tolle Helfer habe, kann man dieses Projekt bewältigen. Natürlich geht nicht alles von heute auf morgen – eigentlich gar nicht mein Ding. Aber es geht. Nur weil es Mats gab, haben wir hier die Möglichkeit, auch anderen Sturmfamilien zu helfen.
Ich habe den Anfang absichtlich so ausführlich beschrieben und doch ist es eine Kurzfassung. Ich weiß, dass es vielen Nicht-Betroffenen schwer fällt, auf solche Situationen zu reagieren. Mir geht es nicht anders. Es fehlen immer noch die Worte. Die richtigen Worte gibt es nicht und manchmal ist eine Umarmung einfach alles. Ich habe letztens einen Kuchen gebacken für die letzte Reise eines anderen kleinen, süßen Kämpfers und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schlecht mir war, als ich ihn abgegeben habe, obwohl ich wusste, dass ich seine Eltern nicht treffen werde. Ich musste vor Nervosität erstmal eine Pause machen, bevor ich nach Hause fahren konnte. Aber ich habe es dennoch gemacht.
Vergesst die Sturmfamilien in eurem Umfeld nicht, wendet ihnen nicht den Rücken zu. Auch für sie ist es nicht leicht. Auch sie finden nicht die richtigen Worte. Aber Freunde stehen auch in schweren Zeiten zu einem.